14.01.2021
Energietechnik

Klärschlammentsorgung & Phosphorrückgewinnung

Dezentrale Klärschlammmonoverbrennung

Die Klärschlammverordnung von 2017 verpflichtet zukünftig Kläranlagen ab 50.000 EW zur Phosphorrückgewinnung. Hierfür setzen sich zunehmend Klärschlammmonoverbrennungsanlagen mittels Wirbelschichtverbrennung gegenüber nasschemischen Verfahren durch. Dabei wird der Norden der Republik mit aktuell geplanten Großanlagen so gut abgedeckt sein, dass bereits ein Überangebot an Entsorgungskapazitäten befürchtet wird.

Zentrale oder dezentrale Entsorgung von Klärschlamm

Im Süden dagegen scheint es einen Trend hin zu einer dezentralen Klärschlammentsorgung zu geben. Ein Netz aus mehreren kleinen, dezentralen Klärschlammmonoverbrennungsanlagen verbessert die CO2-Bilanz der Klärschlammentsorgung durch kürzere Transportwege und erhöht die Entsorgungssicherheit, da ein Ausfall einer Anlage, z. B. durch Revision, im Vergleich zu einer Großanlage keine wesentliche Verschärfung der Entsorgungslage zur Folge hat. Sollte es auch im Süden zu Überkapazitäten kommen, kann das ein solches Entsorgungsnetz durch Absteuerung einzelner Anlagen einfach und ohne gravierende Auswirkungen auf die Gesamtentsorgungssituation kompensieren.

Der Gesetzgeber unterstützt daher dezentrale Entsorgungskonzepte durch unterschiedliche Maßnahmen. So werden kommunale Unternehmen bei einer Investition in eine dezentrale thermische Klärschlammentsorgung gefördert. Ganz besonders aber hilft die Tatsache, dass Anlagen mit einer Klärschlammverbrennung von maximal 3 t/h nur ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach der 4. BImSchV durchlaufen müssen. Damit wird die Realisierungsphase für eine Klärschlammmonoverbrennung für Anlagen bis ungefähr 650.000 Einwohnergleichwerten auch für private Investoren deutlich vereinfacht und verkürzt. Großanlagen über 3 t/h benötigen hingegen ein umfassendes Genehmigungsverfahren nach der 17. BImSchV mit Bürgerbeteiligung und entsprechend verlängerten Realisierungszeiten.

Es liegt also nahe, Anlagen mit der Baugröße 3 t/h, also gerade noch mit der vereinfachten Genehmigung, genauer zu betrachten. Naturgemäß haben Anlagen dieser Größe aufgrund des Mengendegressionsfaktors höhere spezifische Betriebskosten pro Tonne Klärschlamm als Großanlagen. Das gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit und schreckt Investoren ab.

Standardisierung der Anlagengröße für 3 t/h Klärschlamm

Dieser Herausforderung hat sich der badische Anlagenbauer WEHRLE gestellt. Durch jahrzehntelange Erfahrung in der Energietechnik und mit eigenen Wirbelschichtanlagen im Portfolio ist die dezentrale Klärschlammmonoverbrennung zum Kerngeschäft geworden, mit dem Ziel, hier eine zuverlässige und wirtschaftlich attraktive Lösung zu entwickeln. Unter dem Namen K³sludge bringt WEHRLE eine Anlagentechnik auf den Markt, die eine wichtige Lücke für die dezentrale Klärschlammentsorgung schließt und dabei auf höchstmögliche Wirtschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit ausgerichtet ist. K³sludge ist ein Teil der WEHRLE K³-Wirbelschicht-Familie neben K³industry für die thermische Nutzung von Produktionsabfällen und K³waste für die thermische Entsorgung und Nutzung von Sonderabfällen, Siebüberläufen, Gärrückständen und Ersatzbrennstoffen.

Wesentliche Vorteile der K³sludge Technik sind dabei:

  • Kurze Realisierungsdauer bzw. ‚Time-to-Market‘ und damit ein Wettbewerbsvorsprung gegenüber Großanlagen.
  • Geringere Investitionskosten durch Standardisierung der Anlagengröße für 3 t/h, was überdies eine kurze Abschreibungsdauer von 10 Jahren ermöglicht und die Rentabilität auch bei sinkenden Entsorgungspreisen sichert.
  • Eine hohe Investitionssicherheit durch eine besonders hohe Brennstoffbandbreite – ‚Multi-Fuel‘ – die ein weites Spektrum zur Annahme von Klärschlämmen mit unterschiedlichem Trocknungsgrad ermöglicht und sogar eine komplette Umstellung des Brennstoffs zum Beispiel auf EBS, Siebüberläufe oder gar Gärrückstände erlaubt, sollte die Klärschlammentsorgung eines Tages wirtschaftlich unattraktiv werden.

Neben den Zeit- und Kostenvorteilen bietet die Standardisierung auch ein Plus an Prozesssicherheit durch den Einsatz langzeiterprobter Verfahrenstechniken und Anlagenkomponenten. Die Standardisierung ist somit nicht nur die Voraussetzung, kleine dezentrale Anlagen wettbewerbsfähig zu machen, sondern gestaltet den späteren Betrieb einfacher und günstiger. Durch die eingesetzten, langzeiterprobten Verfahrenstechniken wird die gesamte Anlagentechnik besonders zuverlässig und erreicht eine hohe Verfügbarkeit von > 8.300 Betriebsstunden pro Jahr.

Emissionstechnisch werden die Abgaswerte nach der noch zu verschärfenden 17. BImSchV bzw. nach der neuen europäischen BREF sicher eingehalten. Die gestufte Verbrennung in der Wirbelschicht sorgt für eine optimale Steuerung des Verbrennungsprozesses mit einem hohen Ausbrand und geringster Stickoxydbildung. Das hat Auswirkungen auf die Rauchgasreinigung, die hier mit einem SNCR für den NOx-Abbau und nachfolgend mit einem trockenen Verfahren realisiert wird. Dadurch fallen keine technischen Abwässer an und auch die Filteraschen bedürfen keiner weiteren Behandlung. K³sludge ist energieautark und nicht von benachbarten, externen Energiequellen abhängig, von daher ideal für den dezentralen Einsatz geeignet. Durch den hohen Standardisierungsgrad ist eine gute Raumausnutzung möglich, was die erforderliche Baufläche mit ca. 50 m * 60 m gering hält und so mehrere Standortoptionen erlaubt.

Gleichzeitig soll die Standardisierung der Anlagentechnik, die für eine zuverlässige Entsorgung erforderliche Flexibilität nicht einschränken. Das zeigt sich insbesondere in der Störstofftoleranz und der Bandbreite der verarbeitbaren Brennstoffheizwerte. Die K³sludge Wirbelschicht arbeitet hier mit einem offenen Düsenboden mit einem Bettmaterial-Pflegesystem, das Störstoffe gezielt ausschleust und so die Verfügbarkeit der Anlage auch im Falle einer Umstellung des Brennstoffes aufrechterhält. Die Kühlung der Wirbelschichtfeuerung bereits im 1. Kesselzug erlaubt hierbei ein besonders großes Brennstoffspektrum von Klärschlamm mit 50 % TS bis hin zur reinen Verwertung von getrocknetem Klärschlamm mit 90 % TS. Nach Abzug des Energieeigenbedarfs für den Anlagenbetrieb und der Klärschlammtrocknung bleibt ein Wärmeüberschuss, der für weitere Zwecke eingesetzt werden kann.

WEHRLE - Beispiel einer 3 t/h-Klärschlammmonoverbrennungsanlage komplett mit Trockner und Verwaltungsgebäude auf einer Fläche von ca. 45 m x 55 m, 3D-Ansicht und Draufsicht, © Rückert NatUrGas GmbHWEHRLE - Beispiel einer 3 t/h-Klärschlammmonoverbrennungsanlage komplett mit Trockner und Verwaltungsgebäude auf einer Fläche von ca. 45 m x 55 m, 3D-Ansicht und Draufsicht, © Rückert NatUrGas GmbH
Beispiel einer 3 t/h-Klärschlammmonoverbrennungsanlage komplett mit Trockner und Verwaltungsgebäude auf einer Fläche von ca. 45 m x 55 m, 3D-Ansicht und Draufsicht, © Rückert NatUrGas GmbH, © WEHRLE

Komplettanlage im Baukastensystem

Konzipiert ist K³sludge dabei als Baukastensystem. Die eigentliche Feuerungseinheit als ‚Core Unit‘ lässt sich relativ einfach standardisieren. Mit dazu gehören die Anlagenkomponenten für die obligatorische Phosphorrückgewinnung. Die restlichen Anlagenteile, Klärschlammtrocknung, Beschickung, Energieerzeugung und nicht zuletzt Rauchgasreinigung können wie in einem Baukasten an die lokalen Randbedingungen und Kundenpräferenzen angepasst werden. Das ermöglicht komplette, schlüsselfertige Stand-Alone Anlagen, aber zum Beispiel auch Verbrennungslinien, die an bestehende Müllverbrennungsanlagen, quasi als ‚Rucksack‘, angebaut werden können, und so die Klärschlammmitverbrennung zur Klärschlammmonoverbrennung umwandeln.

© WEHRLE: dezentrale Klärschlammentsorgung - Klärschlammmonoverbrennung  / Verfahrenstechnisches Baukastensystem

Verfahrenstechnisches Baukastensystem, © WEHRLE
 

Ein besonderes Augenmerk im standortspezifischen Anlagenkonzept verdienen auch die Klärschlammtrockner: Die Bandbreite zwischen relativ günstigen, aber wartungsintensiven Trocknern und den eher teuren Trocknern, die dafür ohne bewegliche medienberührte Teile auskommen, ist enorm. Als Teil eines flexiblen Baukastensystems kann eine den Kundenansprüchen passende Anlage gewählt und an die Wirbelschichtverbrennung angepasst werden.

Phosphorrückgewinnung

In der Anlagenplanung wird bereits heute die zukünftige Phosphorrückgewinnung berücksichtigt: Bei der standardisierten WEHRLE-Wirbelschichtverbrennung findet in der Verbrennung eine Klassierung in eine phosphorreiche und eine phosphorarme Fraktion statt. Die phosphorarme Fraktion wird im ersten Kesselzug ausgeschleust. Die flugfähige phosphorreiche Asche wird bei über 700 °C in einer nachgeschalteten Heißzyklonanlage aus dem Rauchgas abgetrennt. Schwermetalle und viele andere Schadstoffe sind da noch gasförmig und kondensieren erst in einem kühleren Bereich des Abhitzekessels in den Kesselzügen 2 und 3 und dem Economizer an den Restaschepartikeln und werden schließlich durch eine Rauchgasreinigung mit einem nachgeschalteten Rauchgasfilter gezielt aus dem Rauchgas abgeschieden.

Ascheausschleusung der Phosphorasche im Temperaturfenster 700 … 750 °C, © WEHRLE
Ascheausschleusung der Phosphorasche im Temperaturfenster 700 … 750 °C, © WEHRLE 
 

Dabei richtet sich die Qualität der Asche – und damit der zukünftige Verwertungspreis – nach dem Temperaturfenster, bei dem die phosphorreiche Asche abgetrennt wird. Verfahrenstechnisch ist hier eine Abtrennung mittels eines Heißzyklons ein großer Vorteil. Dadurch kann eine besonders phosphorreiche, schadstoffarme und feinkörnige Asche abgetrennt und als Vorstufe zu einem nachfolgenden P-Recycling, nasschemisch elementar aufgeschlossen oder in der Landwirtschaft als Dünger genutzt werden.

Klärschlammasche aus Heißzyklon, © WEHRLE Testdünger aus Klärschlammasche, © WEHRLE
Foto links: Klärschlammasche aus Heißzyklon, © WEHRLE 
Foto rechts: ​Testdünger aus Klärschlammasche, © WEHRLE
 

Fazit

Bei Betrachtung der Investitionskosten und der spezifischen Betriebskosten bei der Klärschlammmonoverbrennung zeigt sich, dass eine Anlagengröße für die dezentrale Verwertung von 3 t/h Klärschlamm besonders wirtschaftlich realisiert und betrieben werden kann. Aus diesem Grund wird diese Anlagengröße als standardisierte Lösung angeboten.

Ein offenes Konzept für die Klärschlammtrocknung erlaubt eine den Standortanforderungen angepasste Auswahl der passenden Aggregate zur Ankopplung an die Wirbelschichtverbrennung.

Besonders eine hohe Qualität der Phosphorasche vereinfacht die zukünftige Wiederverwertung. Das wird durch die geeignete Auswahl des Temperaturfensters bei der Ausschleusung der phosphorbeladenen Ascheteilchen erreicht.

Standardisierung bedeutet:
  • reduzierte Baukosten, dadurch reduzierte Betriebskosten
  • hohe Verfügbarkeit durch standardisierte, erprobte Baugruppen
Dezentral bedeutet:
  • regional höhere Akzeptanz durch Entsorgung der lokalen Klärschlämme und Vermeidung von Emissionsballungen
  • kürzere Transportwege sparen CO2 ein
  • die Möglichkeit der Bildung regionaler Stoffkreisläufe durch Erzeugung einer hochwertigen Phosphorasche
  • günstige Entsorgungskosten